Die Power2Drive 2023 ist Geschichte – was bleibt sind erkennbare Trends für die Zukunft der Ladetechnik. Wir waren auf der internationalen Fachmesse für Ladeinfrastruktur und Elektromobilität und haben mit vielen Herstellern gesprochen. Wir verraten dir heute die Top-Trends der Aussteller und geben dir so einen Ausblick auf die Zukunft des Ladens daheim, aber auch besonders im Bereich halböffentliches und öffentliches Laden.
Bevor wir so richtig loslegen noch ein Hinweis in eigener Sache. Wir haben auf der power2drive mit verschiedenen Wallbox-Herstellern gesprochen und dazu zwei Videos auf unserem Kanal veröffentlicht. Die Videos haben wir für dich in diesem Artikel eingebaut.
Trend Nummer 1 – PV-Überschussladen
Die Zeit in der sich eine einfache Wallbox wie geschnitten Brot verkauft ist vorbei. Eine Ladelösung muss mehr können als „einfach nur laden“. Ganz oben auf der Liste der Trends ist das PV-Überschussladen, also das Laden des Elektroautos mit möglichst viel selbst erzeugter PV-Energie. Zahlreiche Hersteller gehen hier einen ihren Weg und launchen eigene Lösungen. Das hat Vorteile, aber auch Nachteile. Ein Vorteil ist, dass eine PV-Steuerung eines Herstellers und die Wallbox des selben Herstellers zu 100 Prozent miteinander kompatibel sind und so eine einfach Umsetzbarkeit gewährleistet ist. Im Fehlerfall kennen die Hersteller die Kombination und das erleichtert die Fehlersuche und Korrektur.
Andererseits ist eine solche Lösung auch von der Hardware eines Herstellers abhängig. Eine Anbindung eines Produkts von einem anderen Hersteller ist meist nicht möglich. Im Worst Case Szenario wäre bei einer defekten, nicht mehr verfügbaren kompatiblen Wallbox ein Austausch der PV-Steuerung notwendig.
Es kommen aber auch immer mehr Drittanbieterprodukten auf den Markt, welche die Anbindung von Hardwarekomponenten verschiedener Hersteller ermöglichen. Solche smarten Lösungen lassen sich ebenso einfach mit der Wallbox verheiraten wie die Hersteller-eigenen Lösungen, bieten aber die Kompatibilität mit mehreren Herstellern. Es ist also möglich eine Wallbox von Hersteller A und eine Wallbox von Hersteller B mit dem Wechselrichter von Anbieter C zu verbinden. Oft ist auch die Anbindung weiterer Verbraucher wie zum Beispiel Heizstäbe oder ähnliche möglich.
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Trend Nummer 2 – DC-Laden
Im heimischen Bereich wird mit Wechselstrom geladen und auswärts an der schnelleren Gleichstrom-Ladesäule. Dementsprechend groß war auch der Anteil an DC-Ladern auf der power2drive und hauptsächlich ging es dabei tatsächlich um den schnellen Zwischenstopp am Rastplatz. Nichtsdestotrotz liegen DC-Lader mit weniger Leistung im Trend.
Nehmen wir doch zum Beispiel mal Hotels, den Fuhrpark oder Firmenparkplätze. Ob man will oder nicht, es werden sich immer mehr E-Fahrzeuge auf den Parkplätzen einfinden und so steigt auch die Notwendigkeit von Lademöglichkeiten. Eine schnellere Ladung mit zum Beispiel 50 Kilowatt Ladeleistung würde den Ladevorgang bei vielen Fahrzeugen extrem beschleunigen. Wenn zum Beispiel bis jetzt mit 11kW an einer AC-Wallbox geladen wurde und ein Fahrzeug 4 Stunden für die Ladung brauchte, wäre an einer DC-Wallbox die selbe Menge in etwa einem Viertel der Zeit möglich. Das wiederum heißt, dass vier mal so viele Fahrzeuge geladen werden könnten.
Auch im Heimbereich werden in der Zukunft DC-Wallboxen einziehen. Denken wir einfach mal an das Stichwort „Bidirektionales Laden“. Das ist mit Gleichstrom-Wallboxen einfacher umzusetzen. Genau gesagt heißt das, dass eine 11kW DC-Ladelösung zwar das Fahrzeug zwar genauso schnell lädt wie eine 11kW AC-Wallbox, aber die Fahrzeugbatterie gleichzeitig als Speicher für die PV-Anlage dienen und Strom ans Haus abgeben kann. Der Preis für eine DC-Wallbox liegt zwar deutlich über dem einer AC-Wallbox, aber auch deutlich unter dem Preis eines vergleichbaren festinstallierten Stromspeichers.
Trend Nummer 3 – Monitoring/Abrechnung
Viele Hersteller haben erkannt, dass der Verbrauch einer Wallbox ablesbar sein muss. Es rollen immer mehr Dienstwägen auf den deutschen Autobahnen und wenn diese zuhause geladen werden, muss der geladene Strom mit dem Arbeitgeber abgerechnet werden. Andere Szenarien sind die Abrechnung gegenüber dem Finanzamt bei Selbständigen, Firmenparkplätze oder die Abgabe von Strom an Dritte, wie zum Beispiel bei halböffentlichen Ladelösungen im Hotel- und Gastrobereich.
Für all diese Anwendungsfälle schaffen die Hersteller die hardwaretechnischen Voraussetzungen und bieten meist ein eigenes Monitoringtool an. Über dieses kann der Nutzer oder Betreiber die Ladepunkte auslesen und einen Export der Verbrauchsdaten realisieren. Egal ob MID-Zähler oder eichrechtskonform – oft gehen die Hersteller einen Schritt weiter und erlauben eine Anbindung fremder Monitoring- oder Abrechnungssysteme über das Open Charge Point Protocol, ein Anwendungsprokoll für die Kommunikation von Ladestationen und Management-System.
So ein Backend-System bietet übrigens auch im Heimbereich tiefere Einblicke in die Ladestatistik einer Wallbox und ermöglicht zum Beispiel auch die Auswertung der geladenen Energie aus der PV-Anlage.
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Trend Nummer 4 – UseCases
Egal ob PV-Laden, DC-Laden oder Abrechnung – jedes Szenario benötigt eine andere Hard- und teilweise auch Software. Und genau da spürt man, dass die Hersteller einen Blick auf die UseCases der Kunden werfen und dementsprechend Produkte entwickeln. Da gibt es eine PV-Lösung mit Smartmeter, aber ohne Eichrechtskonformität, die eichrechtskonforme Wallbox aber ohne PV-Ansteuerung und eine All-in-One-Lösung.
Das bringt natürlich auch wieder einen Nachteil mit sich. Der Markt wird dadurch für Kunden und Händler unübersichtlicher. Vielleicht wäre hier ein Blick ins weit entfernte Silicon Valley eine Lösung. Ganz Tesla-like könnte man ja auch eine Wallbox mit allen Features entwickeln, welche sich per Software-Update dauerhaft freischalten lassen. Einige Hersteller von Profiwallboxen gehen diesen Weg übrigens bereits. Ob das ganze als Fixpreisvariante oder Abo-Modell realisiert wird, ist dabei die nächste Glaubensfrage. Als ehemaliger Kundensupportmitarbeiter kann ich sagen, dass Abo-Modelle im Privatkundenbereich nur schwer zu vermitteln sind.
Trend Nummer 5 – Positive Stimmung
Die KfW-Förderung hat ihre Spuren hinterlassen. Nach dem Run auf Wallboxen folgte eine Flaute. Und irgendwie war das ja auch absehbar. 900 Euro Förderung für die Installation einer Wallbox – in vielen Fällen war nur noch ein geringer Eigenanteil notwendig und das Interesse bei den Privatkunden entsprechend hoch.
Heute, im Juni 2023 sieht das anders aus. Egal ob Hersteller, Händler oder Installateure – man ist sich einig, dass der große Run im B2C-Bereich erstmal unterbrochen ist. Wie schon beim Punkt „Use Cases“ beschrieben, sortieren sich die Hersteller jetzt neu und bringen Produkte für ganz bestimmte Anwendungsfälle auf den Markt. Ein weiteres Stichwort, welches in dem Zusammenhang oft zu hören war, ist ganzheitliches System. Es existiert also nicht die Ladelösung alleine, sondern oft wird der Kreislauf „Bezug, Erzeugung, Verbrauch und Einspeisung“ ganzheitlich gesehen.